Ein altes Tabu ist gebrochen: Immer mehr Banken und Sparkassen wollen Strafzinsen auf das Ersparte ihrer Privatkunden erheben. Warum tun sie das, und wie können Sparer dem Negativzins entkommen?
Als „Strafzinsen“ werden Zinsangebote der Bank bezeichnet, die effektiv einer Rendite von weniger als null Prozent pro Jahr entsprechen. Einfach ausgedrückt bezahlt ein Sparer der Bank Geld dafür, sein Erspartes auf einem Konto einlagern zu dürfen.
Strafzinsen werden natürlich nicht immer unter diesem Titel erhoben, sondern manchmal mit Euphemismen wie „Verwahrgeld“ bezeichnet. Auch Kontoführungsgebühren werden oft nicht als Strafzinsen gesehen, laufen effektiv jedoch auf das Gleiche hinaus.
Um den Hintergrund von Strafzinsen zu verstehen, muss man sich kurz das Geschäftsmodell von Banken vergegenwärtigen. Das klassische Geschäft von Banken ist es, sich Geld zu leihen und es zu reinvestieren. Das geschieht größtenteils über Kredite an Privatkunden und Unternehmen.
Um an Geld zu kommen, nutzen Banken vor allem zwei Möglichkeiten:
Banken stehen vor der gleichen Herausforderung wie anderen Unternehmen auch: Wenn Sie kein Geld erhalten, können Banken nicht wirtschaften. Üblicherweise zahlen Banken Ihren Kunden deshalb Geld in Form von Zinsen für Ihre Einlagen. Sie sind eine Motivation, das eigene Geld bei der betreffenden Bank und nicht anders anzulegen.
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In den letzten Jahren haben die Banken selbst jedoch immer weniger Anreiz dazu, Kontoeinlagen einzusammeln. Der Grund dafür ist die aktuelle Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB), die erarbeitet wurde, um die globale Finanzkrise seit 2007 einzudämmen.
Bei früheren Finanzkrisen war es zu „Kreditklemmen“ gekommen, die sich fatal auf die Wirtschaft auswirkten. Banken gerieten in Schieflage oder wurden vorsichtiger, weshalb sie deutlich weniger Kredite ausreichten als zuvor. In Folge davon verzichteten Unternehmen auf Investitionen oder gingen gar in Konkurs, während Privatpersonen weniger konsumierten. Die Konjunktur brach ein.
Eine solche Situation möchte die EZB nun verhindern. Im Juni 2014 hat sie einen negativen Einlagenzins für Banken eingeführt, die kurzfristig Geld bei der Notenbank parken wollen. Sie werden also „bestraft“, wenn sie Gelder sparen möchten, anstatt sie sofort dem Wirtschaftskreislauf zur Verfügung zu stellen. Mittlerweile liegt der Strafzins der EZB bei 0,4 % (Stand: November 2019). Des Weiteren können sich Banken gegen null Prozent Zinsen Geld bei der EZB ausleihen.
Das Ziel dieser Politik ist simpel: Sie soll Banken zu einer regen Kreditvergabe an die Wirtschaft zwingen und diese gleichzeitig mit genügend Geld versorgen. Gleichzeitig macht die Nullzinspolitik es den verschuldeten Europäischen Staaten leichter, sich zu günstig refinanzieren und ihren Haushalt zu konsolidieren.
Als Folge der EZB-Einwirkungen können Banken günstig Gelder von anderen Banken aufnehmen und es sich leisten, niedrig verzinste Kredite auszureichen. Andere Banken müssen mitziehen, um konkurrenzfähig zu bleiben. Die Margen im klassischen Kreditgeschäft schwinden.
Es lohnt sich für Banken also kaum noch, weitere Einlagen einzuwerben; stattdessen kämpfen sie damit, ihre Kosten zu decken. Strafzinsen sind ein Weg, einen Teil der Kosten an Sparer weiterzugeben.
Vermutlich, solange die Negativzinsphase anhält. Derzeit ist noch keine Trendwende absehbar. Die Wirtschaft der Europäischen Staaten wachsen noch nicht stabil und viele Staaten sind weiterhin enorm verschuldet. Eine Erhöhung der Kreditzinsen könnte potenziell zu einer neuen Krise führen.
Im Juni 2019 teilte die EZB der Öffentlichkeit mit, dass es mindestens bis Mitte 2020 keine „Zinswende“ geben wird.
Nein, aber ein Ausnahmephänomen sind sie auch nicht. Wenn man auch Kontoführungsgebühren berücksichtigt, erheben rund 23 % aller deutschen Institute Negativzinsen auf Privatkundeneinlagen (Quelle: Monatsbericht der Bundesbank). Bei Firmenkunden gelten Negativzinsen bereits als „übliche Praxis“.
Dazu kommt: Selbst Tages- und Festgelder, die positiv verzinst sind, sind nicht unbedingt rentabel. Denn wenn die Zinsen unter der Inflationsrate liegen, verliert das angelegte Vermögen effektiv an Kaufkraft. Experten sprechen in diesem Fall von „negativen Realzinsen“.
Ein naheliegender Schritt ist, das Konto zu einer Bank ohne Strafzinsen zu verlegen. Ob diese Strategie langfristig erfolgreich sein wird, ist jedoch fraglich. Bei vielen Deutschen Banken herrscht derzeit ein Liquiditätsüberschuss und weitere Einlagen bringen mehr Kosten als Profitchancen. Wenn zu viele Kunden Ihr Geld auf eine bestimmte Bank verlegen möchten, wird diese wahrscheinlich ebenfalls Negativzinsen einführen.
Plattformen wie Weltsparen und Zinspilot geben Privatpersonen die Möglichkeit, Konten bei Banken im Europäischen Ausland zu eröffnen. Diese bieten oft noch positive Zinsen, weil sie nicht so stark unter Liquiditätsüberschüssen leiden wie deutsche Institute.
Die entsprechenden Angebote sind ebenfalls durch die Europäische Einlagensicherung abgesichert, jedoch mit nationalen Fonds. Die Sicherheit der Anlage ist dadurch indirekt von der Bonität des jeweiligen Staates abhängig, was bedeutet, dass Anleger gegebenenfalls etwas höhere Risiken eingehen müssen.
Ein Teil des Vermögen, der nicht als Liquiditätsreserve dienen soll, kann in Kapitalanlagen investiert werden.
Anleger sollten sich der als „magisches Dreieck der Geldanlage“ bekannten Faustformel bewusst sein, die besagt: Attraktive Renditen gibt es nur als Prämie für Verlustrisiken oder eine lange Kapitalbindung.
In der Niedrigzinsphase reicht eine lange Anlagedauer nicht aus, um Anlegern eine Rendite über dem Inflationsniveau zu bescheren. Dafür müssen sie bewusst Risiken bei Ihrer Anlage eingehen.
Sind sie dazu bereit, bieten sich Aktien und Anleihen, aber auch alternative Anlageformen wie Sachwerte und Crowdinvesting an.
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